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Was macht eigentlich ein Legal Engineer?

Interview mit legal-tech.de

In der Legal Tech-Branche rücken IT und Jura immer mehr zusammen – so sehr, dass daraus bereits neue Berufsbilder, die beide Fachdisziplinen vereinen, entstehen. Sophie Reblin ist Legal Engineer beim Berliner Legal Tech-Unternehmen KnowledgeTools Int. GmbH und gehört zur ersten Generation ihres Berufsstandes. Im Interview mit legal-tech.de verrät sie, welche Herausforderungen sie täglich meistert und warum dabei Jura und IT gar nicht so unterschiedlich sind. 

Was macht eigentlich ein Legal Engineer?: Text

Frau Reblin, ihr Titel ist Legal Engineer, aber was steckt dahinter? Wie würden Sie Ihr Berufsbild beschreiben?

Der Legal Engineer ist an der Schnittstelle zwischen juristischer Arbeit und Informatik tätig und beschäftigt sich besonders mit der Automatisierung juristischer Tätigkeiten. Dies umfasst sowohl bereichsübergreifende Kanzleimanagement-Aufgaben, wie ein individualisiertes Fristenmanagement – die automatische Berechnung von Fristen, Erinnerungen und E-Mails bei Frist- und Vorfristablauf oder das Überprüfen von Fristen – als auch fachliche Thematiken, wie das Automatisieren juristischer Bedingungen und Schriftsätze. Besonders interessant ist natürlich die Automatisierung fachlichen Wissens, die die automatische Erstellung von Schriftsätzen zum Ziel hat. Hier sind präzises juristisches Denken und ein hohes Abstraktionsniveau gefordert. Denn bei der Automatisierung juristischer Entscheidungen muss jeder kleinste Schritt korrekt dargestellt und verortet werden, sonst werden die Schriftsätze nicht korrekt erstellt und es findet keine Arbeitserleichterung statt.
Das Tolle an dem noch neuen Berufsbild des Legal Engineers und der sich gerade entwickelnden Branche Legal Tech ist, dass die Möglichkeiten geradezu unbegrenzt sind, wenn man mit einer guten Software arbeitet. Jeder juristische Gedankenschritt, der auf einer Wenn-Dann-Regel basiert, kann automatisiert werden. So können sogar für Abwägungsentscheidungen die relevanten Formalitäten ausgewertet und darauf basierend ein Entscheidungsvorschlag erstellt werden.

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Wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag bei Ihnen aus?

Mein Arbeitstag beginnt damit, meine E-Mails zu checken. Darin enthalten sind Anfragen der von uns betreuten Anwälte, die entweder eine neue Funktion eingebaut oder eine bestehende Funktion verändert haben möchten. Oft sind das neue Felder, die in das System integriert werden sollen, neue Berechnungsmodelle von Fristen oder Fristarten oder der Import von Daten.
Parallel dazu habe ich ein oder mehrere große Projekte, an denen ich arbeite. Das sind meist Automatisierungsprojekte, die einen Schriftsatz erzeugen sollen, beispielsweise eine Klage oder Klageerwiderung. Genauso bereite ich die automatische Produktion von Dokumenten vor, die eine Bestellungsanzeige, einen Fristverlängerungsantrag oder eine Berufungseinlegung darstellen können. Die automatische Schriftsatzerstellung knüpft an die in unserer Datenbank hinterlegten Informationen an. Diese werden in sogenannten Feldern festgehalten, sodass dort für jede Akte individuelle Informationen eingetragen und später verarbeitet werden.
Um einen Schriftsatz zu generieren, muss zunächst ein sogenanntes „Globaldocument“ korrekt formatiert werden. Dann werden die Verlinkungen zu den einzelnen, in der Datenbank gepflegten, Feldern eingefügt, aus denen später die fallspezifischen Informationen gespeist werden.
Der Job eines Legal Engineer bringt einen engen Kontakt mit den Ansprechpartnern der Anwaltskanzleien mit sich. Denn ein qualitativ hochwertiges Legal Tech-Unternehmen zeichnet sich dadurch aus, dass jedes Detail eines Ablaufs, Prozesses oder einer Schriftsatzerstellung angepasst werden kann. Das erfordert enge Zusammenarbeit mit den Anwältinnen und Anwälten sowie ein vertieftes juristisches Verständnis des Legal Engineer. Die fast vollständige Individualisierbarkeit der Software bringt es außerdem mit sich, dass man jeden Tag neue Herausforderungen zu bewältigen hat, die neue Lösungswege erfordern. Als Legal Engineer sollte man daher Spaß an kleinen Herausforderungen haben und es schätzen, jeden Tag ein wenig gefordert zu sein.

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Welche Art von Fachkenntnissen besitzen Sie?

Ich habe mein erstes juristisches Staatsexamen absolviert und schreibe parallel zu meiner Tätigkeit als Legal Engineer meine Doktorarbeit im Bereich des Gesetzgebungsverfahrens.
Ich hatte keine tieferen Vorkenntnisse im Bereich IT, habe mich jedoch schon immer gerne mit Software befasst und habe Spaß an der Ausarbeitung von Lösungen. Die technischen Hintergründe habe ich mir mittels „learning by doing“ in der Einarbeitungsphase meiner Tätigkeit angeeignet. Mit dem nötigen Interesse an IT, dem grundsätzlichen Verständnis dafür, wie Software funktioniert, sowie Spaß an sehr abstraktem, logischem Denken ist der Einstieg schnell geschafft.

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Welche Funktion erfüllen Sie innerhalb der Kanzleiprozesse?

Ich arbeite für das Unternehmen KnowledgeTools International GmbH, das als Dienstleister für Kanzleien fungiert. Wir stellen die Software bereit und programmieren sowie individualisieren die Funktionen für die einzelnen Kanzleien. Da jede Kanzlei ihre eigenen Prozesse und Ausrichtungen verfolgt, wird jeder Server individuell angepasst und aufgebaut. Das heißt, dass jede Kanzlei eine Datenbank mit individuellen Feldern und Prozessen nutzt.

Welche Funktion wir für die jeweiligen Kanzleien einnehmen, hängt somit davon ab, welches Ziel die Kanzlei mit der Zusammenarbeit mit KnowledgeTools verfolgt: Manche Kanzlei interessiert sich besonders für die Erstellung spezifischer Schriftsätze und beschränkt sich darauf, Inhalte zu importieren, die für die korrekte Erstellung notwendig sind. Andere nutzen die Software vollumfänglich und verwalten mit ihr Mandatsakten, Fristen, Dokumente und andere Daten.
Insgesamt kann man sagen, dass wir die Kanzleien an den Stellen unterstützen, die sich am effektivsten automatisieren lassen und ihnen diese sonst oft repetitive Arbeit abnehmen.

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Mit welchen Herausforderungen haben Sie im Arbeitsalltag zu kämpfen?

Eine besondere Herausforderung liegt darin, dass Arbeitsabläufe und besonders die Schnittstellen zwischen mehreren Akteuren nicht immer vorher genau abgebildet werden können. Der Server für die Kanzleien wird nicht als in sich geschlossenes System von Anfang an aufgebaut, sondern entwickelt sich dynamisch und bedarfsorientiert durch die Nutzung im Kanzleialltag. So ist es eine der größten Herausforderungen, die Prozesse und Abläufe immer wieder neu zu justieren und anzupassen, um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen. Das Besondere an einer solchen Software ist gerade, dass viele Funktionen miteinander interagieren und beispielsweise die automatische Befüllung eines Feldes wiederum andere Aktionen auslöst. Ändert man in diesem komplexen System nur eine Stellschraube, muss man dies oft auch für die damit verknüpften Prozesse übernehmen, da sonst die Rädchen nicht mehr ineinander greifen und die Abläufe nicht mehr wie geplant funktionieren.

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Wird es in Zukunft in Anwaltskanzleien häufiger Bereiche geben, die eine Schnittstelle zwischen IT und Jura herstellen?

Davon bin ich überzeugt. Die technischen Möglichkeiten, viele anwaltliche Aufgaben präzise und mit hundertprozentiger Genauigkeit zu automatisieren ermöglichen es, Arbeitsabläufe erheblich zu verkürzen und den Anwältinnen und Anwälten sich wiederholende Aufgaben abzunehmen. In der Folge können sich Juristen und Juristinnen besser auf etwaige Spezialprobleme des Falls konzentrieren und diese mit der erforderlichen Genauigkeit bearbeiten.

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Veröffentlicht am 25. Februar 202 auf legal-tech.de

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